Reisebericht – Eine islamische Beerdigung

Bosnien und Herzegowina, BiH. 2011

Eine islamische Beerdigung:

Der Vater, im 84. Lebensjahr.
Der Körper ist, von der schweren körperlichen Arbeit, den Folgen der Kriegswirren, der Flucht und Vertreibung, dem Leben in einfachsten Notunterkünften wie Schuppen und Stallungen und den Belastungen des Neubeginn, sein Haus wurde im Krieg völlig zerstört und musste neu aufgebaut werden, ausgezehrt.
Die Atmung fällt immer schwerer, der Geist ist mehr und mehr verwirrt, die Kräfte schwinden, das Leben geht zu Ende.
Seit Monaten und besonders in den letzten Wochen ist der Gesundheitsverlauf ein heruntergleiten vom Kraftvollen zum Zustand der totalen Schwäche.
Die Pflege des Kranken zehrt an den Kräften seiner Ehefrau und an den Kräften der Familie des ältesten Sohnes, der hier traditionell die Eltern bei sich wohnen hat. Und das alles in einem, nach dem unseligen Krieg, neu erstellten halb fertigen Hause.
Er, der Sohn, hat die Verantwortung übernommen. Er versorgt die Eltern. Eine selbständige Rente der Eltern gibt es nicht. Auch die Geschwister helfen, ihm im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit, den Unterhalt für die Eltern zu finanzieren.
Nun ist es aber ein gewaltiger Unterschied zwischen dem, ob du Mal kommst und nach dem Besuch wieder gehst, zu der Belastung, dem Aufwand und der ständigen Präsenz von morgens bis abends, über die Nacht, Tag ein und Tag aus, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr.
Die Ehefrau des Vaters, ebenfalls in den Jahren und auch von der Schwere des Lebens gekennzeichnet, kann diese Mammutaufgabe der Betreuung ihres Mannes nicht alleine stemmen.
Und so ist es hier wie bei vielen tausenden Familien auch, dass die Hauptlast auf den Schultern eines Familienmitgliedes, in diesem Fall auf denen der Schwiegertochter liegt. Auch dann wenn die Familie zusammensteht und mithilft, die Hauptlast ist und bleibt bei ihr.

Dankt all denen die diese Aufgabe und Belastung annehmen…

Anteilnahme und Besucher.
Je näher der Tod an die Lebenstüre des Vaters herantritt umso größer wird der Besucherstrom derer, die vom Lebenden Abschied nehmen wollen.
Wie bei uns auch, aber eher mehr und auch häufiger, kommen Angehörige, Verwandte und Bekannte, um der Ehefrau und dem Sterbenden Trost zu spenden. Und, um mit dem Lebenden noch einmal zu sprechen und um sich bei und von ihm zu verabschieden.
Meist haben die Besucher Kleinigkeiten, Kaffee, Tee, Kuchen und/oder Gebäck dabei, damit bei Tee und oder Kaffee die „Zeremonie“ gestaltet werden kann.
In der Zeit des Abschiedes ist das Haus wie ein Taubenschlag. Es ist in ständiges Kommen und Gehen.
Auch diese Phase des Lebens muss bewältigt werden.
Die Ehefrau des Sterbenden kann den Besucherstrom und die notwendige Betreuung der Gäste nicht mehr alleine bewältigen.
Gut, dass der Sohn derzeit ein Studium zur Weiterbildung in den Fächern Wirtschaft und Management macht und des Öfteren auch tagsüber Zuhause sein kann.
Seine Ehefrau, die Schwiegertochter, selbständig und Geldbeschafferin, ist tagsüber in ihrem Geschäft eingespannt und am Abend kommt es dann auch noch zu den uns hoffentlich allen bewussten und bekannten Doppelbelastungen, einer jeden berufstätigen Frau…

Es ist vollbracht…
Am 10. September 2010 hat Allah, der Gott der Gläubigen von Juden, Christen und des Islam, den kranken Vater von seinen Leiden erlöst.

Erwartung und Hoffnung:
Der Engel des Todes, „‘İ̔zra ‘İ̔L“, der in der Stunde des Todes zum Sterbenden kommt, um seine Seele abzuholen… (Lexikon des Islam)

Die Totenwache:
Nach dem Ableben kommen die nächsten Verwandten ins Totenhaus. Der Tote, aufgebahrt in der Mitte seines Zimmers und mit weißen Tüchern bedeckt, ist von ihnen umringt.
Die Wachenden sprechen Gebete, bleiben und halten die traditionelle Toten- und die Nachtwache.
Am kommenden Morgen wird der Leichnam in die Camii zur rituellen Reinigung gebracht und dort, entgegen der üblichen nächsttägigen Bestattung, aufgebahrt.
Die Beerdigung kann wegen des Umfanges der Teilnehmer aus vielen Landesteilen und der Anreise eines seiner Kinder, aus Amerika, nicht wie üblich am Folgetage stattfinden.

Glaube, Trost und Zuversicht:

Koran; Sure 32, Die Niederwerfung, # 11.
Sprich: „Fortnehmen wird euch der Engel des Todes, der mit euch betraut ist. Alsdann werdet ihr zu eurem Herrn zurückgebracht.“

Koran; Sure 3‚ Das Haus ‘İ̔mrân, # 185
Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen!
(Der gnadenreiche Koran; ISBN 975 – 389 – 053 -2; 99.06.Y. 0005.33; Deutsche Fassung)
Jede Seele soll den Tod schmecken, und ihr sollt nur euren Lohn empfangen am Tage der Auferstehung; und wer da dem Feuer entnommen und ins Paradies geführt, der soll glück-selig sein. Und das irdische Leben ist nur ein trügerischer Nießbrauch.

TOD;
(Lexikon des Islam; TOD, Seite 716ff; ISBN 3-572-01016-0; Deutsche Fassung)
… O reine Seele komm in Gottes Vergebung und Freude! …
… und der Todesengel nimmt sie (die Seele) und übergibt sie den Engeln mit dem 
 … Leichentuch…
… Dann tragen die Engel die Seele nach oben… (durch die 7 Stufen des Himmels)
… Und sie tragen ihn weiter hinauf bis in den siebenten Himmel, 
wo Gott spricht:
Schreibt den Namen meines Dieners in das Buch „‘İ̔lliyun“ 
und bringt die Seele wieder hinab zur Erde, zu seinem Körper, 
der in der Erde begraben ist, denn ich habe den Menschen 
aus Erde erschaffen und er kehrt wieder zu ihr zurück,
und später werde ich ihn wieder zurückholen.
Dann wird die Seele wieder in ihren Körper gebracht,
und zwei Engel (Munkar und Nakir) kommen zu dem Toten und 
fordern ihn auf, sich aufzusetzen, und fragen ihn: 
Wer ist dein Herr? 
Er antwortet: Mein Herr ist Gott.
…

Aufbahrung:
Am dritten Todestage ist es soweit. Die Beerdigung kann stattfinden.
Der Vater wird aus der Moschee zurück in sein Wohnhaus gebracht und im Hofe des Anwesens aufgebahrt.
Einen Sarg nach christlichen Gepflogenheiten ist im islamischen Ritus nicht üblich. Der Tote, in Tücher gehüllt, liegt auf einem Schulterbreiten Brett. Oben und unten sind ein Kopf- und ein Fußbrett angebracht. Die gesamte Bahre mit dem Toten ist mit weißen Bahre-Tüchern umhüllt und hat jetzt die Form eines uns bekannten Sarges.
Obenauf ist ein grünes Totentuch mit wertvoller Stickerei aus Goldfäden aufgelegt.
>Mit Lobpreisungen: Allah, der Alleinige, der Allmächtige, der Gütige…, < Tag der Beerdigung:
Aus vielen Landesteilen sind Verwandte, Bekannte, Politiker und islamische Führer angereist. Die Trauergäste, soweit im Lande wohnhaft, treffen im Laufe des Vormittags im Trauerhaus ein. Wegen der teils langen Anreisezeit der Trauergäste müssen sie zunächst verköstigt werden. Es wird Essen serviert; es reicht vom Süßen bis zum Deftigen und vom Tee, über Kaffee, Säften bis zum Mineralwasser…

Die offiziellen Würdenträger, „Mufti und Imame“, tragen als äußeres Zeichen ihrer Würde und Stellung, Mantel und Kopfbedeckung. Einige Imame, engere geistliche Freunde der Familie, sind in ziviler Kleidung gekommen. Sie sind dadurch nicht in offizieller Mission anwesend und müsse daher auch nicht den kirchlichen Obolus einfordern.

Im Hof werden die ersten Trauergebete gesprochen.
Gegen 12:40 Uhr beginnt der Trauerzug zum Friedhof.
In der hiesigen Tradition begleiten nur Männer den Trauerzug auf den Friedhof und zur Beerdigung.
Hier besuchen Frauen den Beerdigten frühestens nach 14 Tagen. 
(…dann ist die Seele wieder zurück beim Körper…)

Auf dem Friedhof:
Noch einmal wird der Tote aufgebahrt und es wird gebetet.
Der Mufti spricht die Gebete und erinnert an die Gemeinsamkeiten und die gemeinsamen Wurzeln von Islam und Christen, und ruft zur Verständigung und gegenseitigen Achtung auf.

Der Tote wird zum Grab getragen.
Die nahen Verwandten tragen den Toten zum Grab hin. Auch hier, am Grabe, werden noch einmal Gebete gesprochen.
In der ausgehobenen Grabesgruft stehend, übernehmen der Sohn und zwei Enkel des Verstorbenen die Bahre mit dem Leichnam und betten ihn, auf dem Rücken liegend, in der Grabesgruft.

Grabschließung und Gebet:
Zum Schutze des Toten werden über die gesamte Länge des Grabes, Holzbohlen schräg über dem Leichnam ausgelegt. Die Holzbohlen bilden einen dreieckigen Tunnel über dem Leichnam und schützen so den Toten vor der einzufüllenden Erde. Das Grab wird von den Anwesenden sodann mit dem zuvor ausgehobenen Erdreich geschlossen.
Mufti, Imame und die Trauergäste beten noch einmal für den Toten.
Der Enkel „Asmir“, ein 16 Jahre alter Gymnasiast, intoniert die liturgischen Verse…

Gastfreundschaft und Bewirtung:
Zurück im Totenhaus ist noch einmal eine Mahlzeit bereitet.
Es gab und gibt die typischen bosnisch islamischen Speisen;
Kalb, Rind, Lamm, Hähnchen, Köfte, Pide, Borek, etc. und Beilagen sowie verschiedene Getränke; Wasser, Säfte, Tee, Kaffee und Gebäck, Kuchen, etc.
Die Trauer-Feier zieht sich bis in den Abend hinein hin.

Trauer:
Ab jetzt und in der kommenden Zeit kann die eigentliche Trauerarbeit beginnen …

Weitere Ausführungen zu meinen Reisen werden folgen…
…mach mal hin…
Es grüßt Euch Siegfried Limmer

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